Krankheiten
Zu den allgemein verbreiteten Katzenkrankheiten siehe entsprechendes Kapitel Erkrankungen bei Hauskatzen. Zusätzlich gibt es bei den Abessinierkatzen (und den genetisch fast identischen Somali-Katzen) spezielle Krankheiten, die bei anderen Rassekatzen bisher noch nicht (Pyruvatkinasemangel) oder seltener auftreten.
Vererbbare Krankheiten
Progressive Retina-Atrophie
Die progressive Retina–Atrophie („Netzhautschwund“, PRA) ist als klinischer Sammelbegriff für degenerative Netzhautanomalien zu verstehen. Bei Abessinier- und Somali-Katzen versteht man darunter eine genetisch bedingte, rezessiv vererbte Stäbchen–Zapfen–Degeneration. Dabei wird die Netzhaut des Auges (Retina) durch lokale Stoffwechselstörungen im Gewebe der Netzhaut kontinuierlich fortschreitend zerstört. Ein bei PRA häufig auftretendes erstes Symptom ist eine einsetzende Nachtblindheit.
Man unterscheidet zwei Formen der PRA bei Abessinierkatzen: Bei der degenerativen Form (rezessiver Vererbungsgang) treten Störungen des Sehvermögens ab dem 2. Lebensjahr auf. Diese führen zu einem späteren langsamen Erblinden der Tiere. Bis zum einschließlich sechsten Lebensjahr ist bei Katzen ein Krankheitsbeginn möglich, danach kann von einem bezüglich der genetischen Veranlagung trägerfreien Tier ausgegangen werden. Für Zuchttiere ist daher ab dem 18. Lebensmonat bis zum sechsten Lebensjahr eine jährliche Untersuchung auf diese Krankheit erforderlich. Durch striktes Einhalten der Testabläufe und gezielte Zucht ist diese Krankheit bei Abessinierkatzen mittlerweile deutlich weniger verbreitet. Generell sind neben den Abessinierkatzen alle Katzenrassen mit den Fellfarben Cinnamon und Fawn beziehungsweise dem Zeichnungsmuster Ticked-Tabby PRA-gefährdet. Bei der dysplastischen Form (dominanter Vererbungsgang) zeigen bereits ganz junge Katzen eine Sehschwäche, die innerhalb eines Jahres zur vollständigen Erblindung führt.
Ein entsprechend ausgebildeter und autorisierter Tierarzt kann mittels ophthalmologischen Untersuchungsmethoden auf Retina-Atrophie testen. Durch Atropingabe werden die Pupillen geweitet und der Tierarzt kann die Netzhaut untersuchen, wobei diese Untersuchungen im zweijährigen Abstand bis zum sechsten Lebensjahr erfolgen sollte.
Analog zu DNA-Tests auf PRA und dem Einsatz von DNA-Marker bei verschiedenen Hunderassen (Welsh Corgie, Mastiff und andere), die seit einiger Zeit erfolgreich in der Praxis angewandt werden, gab es Bemühungen, einen solchen Test auch für Abessinier- und Somalikatzen zu entwickeln. Vorteile wären die hohe Diagnosesicherheit, die relativ einfache und einmalige Durchführung eines DNA-Tests auf PRA sowie die Tatsache, dass bei der degenerativen PRA jeweils nur ein Elterntier auf PRA-Freiheit getestet sein muss. Seit Mitte 2007 bietet die Firma Laboklin (Labor für klinische Diagnostik) einen PRA-Gentest für Abessinier- und Somalikatzen an. Dieser kann mit einem Test auf Pyruvatkinasemangel kombiniert werden. Der Gentest kann wahlweise anhand einer Blutprobe (EDTA-Blut) oder eines Backenabstriches mittels Spezialbürsten durchgeführt werden. Als Untersuchungsdauer wird drei Tage nach Eingang der Probe angegeben, als Ergebnis werden Tiere in die Kategorien „Frei“, „Träger“ und „Betroffen“ eingeordnet.[5]
Pyruvatkinasemangel
bei dem Pyruvatkinasemangel (PK-Defizienz) handelt es sich um eine Erbkrankheit, die zu einer speziellen Form der Blutarmut (Anämie) führt. Neben Menschen und Hunderassen sind bei den Katzenrassen hauptsächlich Abessinier- und Somalikatzen betroffen.
Primär fehlt den an dieser Krankheit leidenden Katzen das Pyruvatkinase-Enzym in den roten Blutkörperchen (Erythrozyt), welches dort zur Energiegewinnung notwendig ist. Durch die daraus resultierende Störung in den aufeinanderfolgenden enzymatischen Reaktionen der Glykolyse (Aufspaltung des Energieträgers Glukose) kommt es zu einer stark verkürzten Lebensdauer der normalerweise rund 70–120 Tage lebensfähigen roten Blutkörperchen. Dies führt zu einer chronischen regenerativen hämolytischen Anämie, eine Anämieform, bei der die Zahl der roten Blutkörperchen durch deren gesteigerten Abbau aufgrund der geringen Lebensdauer zu niedrig ist.
Leidet eine Abessinierkatze unter Pyruvatkinasemangel, können zwei Stadien unterschieden werden: die intermittierende, schubweise auftretende Phase sowie die durch externe Faktoren wie beispielsweise Stress ausgelöste, so genannte „hämolytische Krise“. Bei der letztgenannten Form können Bluttransfusionen zwar lebensrettend sein, gegen Pyruvatkinasemangel allgemein gibt es allerdings keine Therapie. Bei Untersuchungen in den USA im Jahr 2000 wurde Pyruvatkinasemangel bei Abessinierkatzen bereits ab dem sechsten Lebensmonat und bis in ein höheres Alter von 12 Jahren festgestellt. Überraschenderweise wurden auch ältere erkrankte Tiere gefunden, die asymptomatisch, das bedeutet symptomfrei waren.[6]
Pyruvatkinasemangel wird bei Abessinierkatzen autosomal, also nicht an das Geschlecht des vererbenden Tieres gebunden, und rezessiv vererbt. Da der genetische Defekt bei den Abessinierkatzen bekannt ist, können diese mittels eines DNA-Tests zuverlässig auf PK getestet werden. Träger des Gendefektes selbst erkranken nicht an Pyruvatkinasemangel. Bei der Züchtung sollten demzufolge nie zwei Trägertiere miteinander verpaart werden, was allerdings in Züchterkreisen nicht immer befolgt wird.
Renale Amyloidose
Bei der renalen Amyloidose (RA) handelt es sich um eine Stoffwechselstörung, welche zur Ablagerung nicht abbaubarer Eiweiße (Amyloide) primär in den Nieren führt. Die Erkrankung bricht meist zwischen dem vierten und siebten Lebensjahr aus und findet sich in 75 % aller Erkrankungsfälle bei Kater. Im weiteren Verlauf der Erkrankung kommt es zu chronischer Niereninsuffizienz (CNI) und in der Regel zum Tod des Tieres. Eine Früherkennung ist bislang nur in geringem Umfang möglich. Zusätzlich wird die Diagnosesicherheit durch eine Vielzahl von Nierenerkrankungen mit ähnlichen Symptomen (aber ohne Amyloidablagerung im Nierengewebe) verringert. Eine Biopsie von Nierengewebe am lebenden Tier ist zwar möglich, allerdings vom Ergebnis her eher als unzuverlässige Diagnosemethode einzustufen. Somit ist die renale Amyloidose meist nur bei toten Tieren durch Anfärbung des untersuchten Gewebes mit dem so genannten „Kongo-Rottest“ zuverlässig festzustellen. Die renale Amyloidose ist nicht besonders häufig bei Katzen anzutreffen. Zu den anfälligen Katzenrassen gehören allerdings primär die Abessinier- und Somalikatzen, seltener auch Siam- und Thaikatzen sowie Orientalisch Kurzhaar (OKH).
In Fachkreisen steht noch nicht definitiv fest, ob die Ursachen für die renale Amyloidose genetisch vererbbar sind.[7] Aufgrund der bisherigen Forschungsergebnisse wird allerdings eine rezessive Vererbung der Veranlagung angenommen. Auch bei der renalen Amyloidose unterstützen europäische Abessinierkatzenzüchter Forschungsgruppen (zum Beispiel an der Universitätsklinik Utrecht, Niederlande) durch die Bereitstellung von Untersuchungsergebnissen, Zuchtdaten und Blutproben bei der weiteren Erforschung und eventuellen Entwicklung eines DNA-Tests für RA.
Patellaluxation :
die Patellaluxation (PL) ist eine Deformation des Kniegelenks bzw. der Kniescheibe. Diese hat zur Folge, dass es zu einer temporären oder dauerhaften Kniescheibenverrenkung kommt. Man unterscheidet hier vier Grade der Luxation. Je nach Grad der Beeinträchtigung, kann das betroffene Bein nicht mehr richtig belastet und angewinkelt werden. Die Symptome der Patellaluxation bei Abessinierkatzen können sehr unterschiedlich sein. Die Luxation der Kniescheibe kann kurzfristig auftreten und sich von selbst wieder „einrenken“ (Grad II der Patellaluxation). Dauert sie länger, kann die Katze den Oberschenkel des betroffenen Beines an den Körper anziehen oder aber das betroffene Bein so ausstrecken, so dass der Fuß den Boden nicht berührt. Auch können beide Hinterbeine gleichzeitig von einer Patellaluxation betroffen sein.
Ein Nachweis der Patellaluxation ist nur bei erwachsenen Katzen über manuelle Streck- und Beugetestreihen der Extremitäten durch einen Tierarzt möglich, wobei betroffene Tiere operiert werden können. Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand wird die Patellaluxation rezessiv polygen vererbt. Dabei scheint es eine Kopplung des Gens für Patellaluxation mit den Farbschlägen Sorrel und Fawn zu geben. Betroffene Tiere sind damit zur Zucht nicht geeignet.
Abessinierkatzen in der Genomforschung
Seit 2007 ist das Genom der Abessinierkatze nahezu vollständig sequenziert. Ein Wissenschaftlerteam des National Cancer Institute, Frederick in den USA identifizierte anhand der DNA-Probe einer ausgewachsenen weiblichen Abessinierkatze insgesamt 20.285 potenzielle Gene.[8]
Die Entschlüsselung des Genoms soll vergleichende Untersuchungen bei genetisch vererbten Krankheiten erleichtern, die sowohl bei Katzen wie auch bei Menschen vorkommen. Ein Beispiel ist hier die Augenkrankheit Retinopathia pigmentosa, von der 30.000 bis 40.000 Menschen in Deutschland betroffen sind. Zudem gelten Katzen als gute Modelllebewesen bei der Erforschung von Infektionskrankheiten wie AIDS, da bei ihnen mit dem Erreger FIV ein eng mit dem HIV verwandtes Virus vorkommt.[9]
Quellenangaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ M. D. Stables, William Gordon: Cats – Their Points and Characteristics, with Curiosities of Cat Life, and a Chapter on Feline Ailments. Dean & Son, London 1876.
- ↑ Early Abyssinian Standard from 1889 (Memento vom 29. Juni 2011 im Internet Archive)
- ↑ Blutgruppen bei Katzen (Memento vom 20. Juli 2006 im Internet Archive)
- ↑ Cat Colors FAQ: Cat Color Genetics. Abgerufen am 24. März 2022.
- ↑ Progressive Retinaatrophie (rdy-PRA). Laboklin – Labor für Klinische Diagnostik, 26. Juli 2015, archiviert vom Original am 26. Juli 2015; abgerufen am 24. März 2022.
- ↑ Urs Ginger: „Erythrozyt-Pyruvat-Kinase-Mangel als Ursache für eine intermittierende (in Schüben verlaufende) Anämie bei Abessinier- und Somalikatzen“. In: RAS – Rassekatzen-Journal für Abessinier und Somalis. Ausgabe 4, Jahrgang 14, 2001, S. 13–14.
- ↑ RA (Renal Amyloidose) (Memento vom 20. Juli 2006 im Internet Archive)
- ↑ J. U. Pontius, J. C. Mullikin u. a.: Initial sequence and comparative analysis of the cat genome. In: Genome Research. 17, 2007, S. 1675, doi:10.1101/gr.6380007.
- ↑ Durchleuchtete Katzen – Forscher veröffentlichen Genomsequenz der Hauskatze. In: wissenschaft.de. 1. November 2007, abgerufen am 8. September 2019.